Sprachförderlicher Mathematikunterricht: Der Ankläger-Trugschluss
Dieser fiktive Fall folgt einem Muster, das spätestens durch den Fall Sally Clark berühmt wurde: Wenn ein DNA-Test bei 0,01% der getesteten Personen eine Übereinstimmung zeigt, dann wird fälschlicherweise angenommen, dass eine Person, deren genetischer Fingerabdruck mit dem Material vom Tatort übereinstimmt, mit Wahrscheinlichkeit 99,99 % schuldig sei.
Man kann sich leicht davon überzeugen, dass dies falsch ist: Angenommen, man wendet diesen DNA-Test bei allen Kölnern an, so muss man von 100 zufälligen Übereinstimmungen ausgehen. Wenn man bereits wüsste, dass die Täterin oder Täter in Köln lebt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig herausgegriffene Person mit Übereinstimmung schuldig ist, gerade mal 1 % (eine Person von 100).
Da natürlich nicht alle Menschen aus Köln getestet werden, hat die Klasse auch untersucht, was geschieht, wenn "nur" 20.000 Personen getestet werden: Die Wahrscheinlichkeit, dass es hierbei eine zufällige Übereinstimmung gibt, liegt bereits bei 86,5 %. Kurzum: Wenn keine anderen Indizien vorliegen, kann man auf dieser Grundlage niemanden verurteilen.
Die Ergebnisse wurden in einen Brief an einen fiktiven Staatsanwalt umgesetzt, der diesem Ankläger-Trugschluss erlegen ist. Die Schülerinnen und Schüler wurden hier selbst zu Experten, die einem Laien in angemessener Sprache fachlich korrekt erklären, worin ein schwerwiegender Fehler besteht und wie dieser richtigzustellen ist. Neben der Förderung der intrinsischen Motivation dient ein solches Unterrichtsarrangement vor allem auch der sprachlichen Förderung im Bereich Textproduktion. Unten ist ein Beispiel zu sehen.
Text, Unterrichtsidee, Foto: Dr. D. Wieczorek (Fachvorsitzender Mathematik)
Brief: Schüler:in (Abiturjahrgang 2024)