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Wir möchten mit dieser neuen Handreichung alle Eltern unterstützen, die sich diese Frage stellen. Das Lernen zu lernen ist nämlich eine höchst anspruchsvolle Aufgabe, weil sich effektive Strategien nicht einfach von selbst entwickeln. 

Alle Eltern wünschen sich, dass ihr Kind mit Freude die Schule besucht und dort auch gute Lernerfolge erzielt. Das sind dieselben Ziele, die auch wir für alle unsere Schüler*innen verfolgen. An jedem Elternsprechtag werden wir allerdings von Eltern gefragt, wie sie ihr Kind zu Hause effektiv beim Lernen unterstützen können. In der Kürze der Zeit können wir oft nur erste Hinweise geben. Aus unserem Alltag als Lehrkräfte wissen wir aber, dass die Umsetzung auch für uns als Expert*innen ziemlich schwierig ist. Es ist aber völlig normal, dass Ihr Kind nicht von sich allein förderliche Strategien zum Lernen entwickelt. Daher haben wir für Sie zum Nachschlagen und Vertiefen diese Handreichung verfasst, die sich am psychologischen Forschungsstand zum effektiven Lernen orientiert. Sie erhalten einige Hintergrundinformationen, aber vor allem sehr konkrete und möglichst einfach einzusetzende Strategien.

handreichung lernen einleitungsbild 2024

Sie können den Text der einzelnen Abschnitte durch einen Klick auf die Überschriften auf- und zuklappen.

1. Ein kurzer Überblick
  • Erfolgreiches Lernen zielt auf Verständnis und Verknüpfung mit bereits Bekanntem ab. Es ist viel mehr als Auswendiglernen.

  • Etwas für den Moment zu verstehen, genügt aber nicht: Etwas Neues wurde erst dann gelernt, wenn man dauerhaft darauf zurückgreifen kann.

  • Schulisches Lernen ist mit geistiger Anstrengung und Übung verbunden. Dabei muss man immer wieder an die Grenze des aktuell Leistbaren gehen, um besser zu werden.

  • Selbstregulation ist wichtig für erfolgreiches Lernen und kann durch geeignete Fragen gefördert werden.

  • Aktives Abrufen heißt, sein Wissen und Können ohne Nachlesen aus dem Gedächtnis heraus zu überprüfen. Es ist die effektivste Technik, um langfristig zu lernen.

  • Ausufernde Lernsitzungen sind nicht nachhaltig. Man sollte lieber über einen längeren Zeitraum üben und mehrere Themen vermischen.

  • Die Motivation kann gefördert werden, indem man
    • sich als kompetent erlebt,
    • Erfolg und Misserfolg mit eigener Anstrengung in Verbindung bringt,
    • eigene Verbesserungen erkennt, statt sich mit anderen zu vergleichen,
    • die Methode WOOP einsetzt.

  • Feedback sollte sich auf konkrete, individuell herausfordernde Ziele beziehen. Es gibt schädliche Varianten von Feedback.

  • Es gibt problematische Haltungen und falsche Vorstellungen, die lernhinderlich sind.
2. Kein Erfolg ohne geistige Anstrengung

Im sportlichen und musikalischen Bereich ist es für uns alle völlig normal, dass man ohne harte Arbeit keine Erfolge erzielt. Dabei muss man immer wieder im Grenzbereich der eigenen Fähigkeiten arbeiten, um wirklich besser zu werden.

Auch wenn mitunter etwas anderes behauptet wird: Beim Lernen ist es genauso. Es reicht dabei nicht, einfach nur Dinge auswendig zu lernen, sondern es geht zusätzlich darum, sie zu verstehen und miteinander zu verknüpfen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass gefestigte Basiskompetenzen die Grundlage bilden: Wer zum Beispiel nicht flüssig lesen kann, wird niemals oder nur mit riesigem Aufwand einen komplexen Text verstehen. Das ist vergleichbar mit dem Fahrradfahren: Während ein Kleinkind seine ganze Konzentration und viele Hilfestellungen braucht, um den Bewegungsablauf zu erlernen, kann Ihr Kind problemlos Musik beim Fahrradfahren hören, ohne sofort umzufallen. Dabei wird oft vergessen, dass die Automatisierung des Bewegungsablaufs anstrengend war und viel Zeit gekostet hat.

Dass man Basiskompetenzen mühsam üben und wiederholen muss leuchtet vielen noch ein. Beim Lernen lernen ist es aber genauso: Auch Lernstrategien müssen anfangs mühsam erlernt, wiederholt und reflektiert werden – schließlich ist es viel einfacher, sich Inhalte „nochmal anzusehen“ und dann zu behaupten, man hätte „gelernt“, als sich tatsächlich intensiv damit auseinanderzusetzen. Daher ist es gut, mit dem Lernen lernen zu beginnen, wenn die Inhalte noch verhältnismäßig leicht sind.

3. Warum wir in dieser Handreichung nur das Lernen in den Blick nehmen

Ein aufgeräumter Arbeitsplatz und ein gutes Zeitmanagement tragen zweifelsohne auch zum erfolgreichen Lernen bei. Hierzu finden sie auch anderswo viele brauchbare Ratschläge. Was aber oft fehlt sind wissenschaftlich abgesicherte Tipps, wie man den eigentlichen Lernprozess unterstützt. Daher nehmen wir im Folgenden nur diesen Bereich in den Blick.

4. Mein Kind hat sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf. Was muss ich beachten?

Die gute Nachricht ist: Es gibt zunächst keine Hinweise darauf, dass Menschen prinzipiell unterschiedlich lernen. Unterschiede ergeben sich eher durch Vorwissen, Intelligenz und Motivation. Je größer die Schwierigkeiten sind, desto mehr Anleitung und Unterstützung ist notwendig. Eine Einschränkung müssen wir aber machen: Bei Kindern im Autismus-Spektrum laufen einige Motivationstechniken aus dieser Handreichung ins Leere. Sprechen Sie das Thema bitte einfach beim nächsten Gespräch mit unseren Sonderpädagog*innen an.

5. Erfolgreich lernen - Was heißt das überhaupt, und wie kann ich es unterstützen?


Wann hat Ihr Kind etwas erfolgreich gelernt? Sicherlich nicht, wenn es einen Text aus dem Schulbuch nur auswendig kennt. Danach wird in keinem Test und keiner Klassenarbeit gefragt.Zentral ist, dass Ihr Kind die Lerninhalte langfristig und dauerhaft

  • mit eigenen Worten wiedergeben kann,
  • auf Nachfrage erklären kann und
  • anwenden kann.

Sie können Ihrem Kind durch geeignete Fragen helfen, diese Ziele zu erreichen. Fragen Sie zum Beispiel:

  • Wie hängt das, was Du gerade lernen sollst, eigentlich mit Dingen zusammen, die Du schon kennst?
  • Warum ist das, was Du lernen sollst, eigentlich inhaltlich richtig? Warum könnte es nicht anders sein?
  • Kannst Du für die Aussage Beispiele oder Gegenbeispiele finden?
  • Gibt es auch einen anderen Weg, die Aufgabe zu lösen?
  • Kannst Du den Inhalt in eine andere Darstellungsform bringen, zum Beispiel eine Tabelle, eine Mindmap, ein Diagramm?
6. Selbstreguliertes Lernen fördern


Grafik: Dr. Daniel Wieczorek

Selbstreguliertes Lernen bedeutet, dass Ihr Kind

  • sich eigenständig Ziele für seinen Lernprozess setzt,
  • geeignete Lernstrategien auswählt und anwendet,
  • seinen Lernprozess überwacht und ggf. anpasst,
  • das Ergebnis bewertet,
  • Erkenntnisse aus diesem Prozess für sein zukünftiges Lernen nutzt.

Selbstreguliert lernen zu können, stellt eine wesentliche Voraussetzung für den Lernerfolg dar. Wenn Sie die Punkte durchgehen, verstehen Sie aber sicherlich, wie komplex und anspruchsvoll dieser Prozess für Ihr Kind ist. Sie können Ihr Kind aber durch Fragen dazu anregen, sein Vorgehen zu strukturieren und zu reflektieren.

Fragen Sie zum Beispiel…

… vor dem Lernen (Planungsphase):

  • Was willst Du heute schaffen?
  • Wie viel Zeit brauchst Du wohl für die Aufgabe?
  • Was kannst Du schon gut, was musst Du noch verbessern?

… im Lernprozess (Handlungsphase):

  • Wonach wird in der Aufgabe gefragt?
  • Was kannst Du beim Lesen tun, um die Hauptgedanken des Texts festzuhalten?
  • Was machst Du, wenn Du ein Wort nicht kennst?
  • Was kannst Du tun, um Deine Aufmerksamkeit auf die Arbeit zu richten?

… nach dem Lernen (Reflexionsphase):

  • Wie kannst Du überprüfen, was Du behalten hast?
  • Hast Du erkannt, welche Art von Fehlern Du besonders häufig machst?
  • Wo siehst Du bei Dir Fortschritte im Vergleich zu früher?
  • Hast Du daran gedacht, Dich für Deine harte Arbeit zu loben?

Es hilft also, wenn Sie Ihrem Kind Anstöße zur Selbsthilfe geben und Lernstrategien vorschlagen. Vermeiden sollten Sie hingegen, einfach die Lösung vorzusagen: Dies kann nicht nur dazu führen, dass Ihr Kind keine Notwendigkeit erkennt, seinen eigenen Lernprozess zu verbessern. Es kann auch dazu führen, dass Ihr Kind zu der Überzeugung gelangt, seine Aufgaben nicht allein erledigen zu können und daher schnell aufgibt.

Gerade wenn zu Hause Aufgaben bearbeitet werden, kann es für Kinder einen erheblichen Anreiz zur Unselbstständigkeit geben, wenn Sie auf jede inhaltliche Frage eingehen und Ihrem Kind die Arbeit abnehmen. Vereinbaren Sie z. B. mit Ihrem Kind eine maximale Anzahl von Fragen, die es Ihnen während der Aufgabenbearbeitung stellen darf, und reduzieren Sie diese Anzahl mit der Zeit. Loben Sie Ihr Kind für Erfolge beim selbstständigen Arbeiten – nicht pauschal, sondern mit konkretem Bezug zur Verbesserung, zum Beispiel: „Ich finde es toll, dass Du heute eine halbe Stunde eigenständig an Deinen Aufgaben gearbeitet und Fragen mit dem Schulbuch geklärt hast.“

Je besser Ihrem Kind die Selbstregulation des eigenen Lernens im Laufe der Zeit gelingt, desto weniger Unterstützung wird es brauchen.

7. Langfristig und nachhaltig lernen: Aktives Abrufen als Königsweg

Sie erinnern sich an Ausflüge, Urlaube, Bücher, Filme oder Konzerte, weil Sie im Anschluss darüber nachgedacht und mit anderen Personen frei darüber gesprochen haben. Nie kämen Sie auf die Idee zu sagen: „Wir haben beide denselben Film gesehen. Wir können aber nicht darüber reden, ohne den Film noch einmal gemeinsam anzusehen!“ Indem Sie frei über den Inhalt sprechen, festigen Sie Ihre Erinnerung daran. Und Sie haben die Chance zu merken, an welcher Stelle Ihnen etwas entfallen ist.

Trotzdem nutzen viele Personen das Potential dieses aktiven Abrufens aus dem Gedächtnis nicht, sondern verhalten sich genau entgegengesetzt: Anstatt zuerst aus der Erinnerung heraus zu überprüfen, was sie zu einem Thema noch wissen, schlagen sie das Buch direkt auf oder sehen sich ein Video zum Thema an. Alles erscheint vertraut, weil man es schließlich „schon einmal gesehen“ hat. Aber weder im Leben noch in Tests oder Klassenarbeiten hilft es, wenn ein Inhalt einfach nur vertraut erscheint.

Das einfachste Beispiel ist Vokabellernen: Im Vokabeltest muss man das deutsche Wort ins Englische übersetzen. Man lernt Vokabeln nicht effektiv, indem man sie einfach etliche Male liest. Nach dem ersten Lesen bzw. dem Abschreiben ins Vokabelheft wird im Anschluss zum ersten Mal abgefragt, wobei die englische Übersetzung abgedeckt wird. Es ist dabei wichtig, dass Vokabeln, die (noch) nicht sicher gekonnt werden, korrigiert und sofort noch einmal abgerufen und dann in derselben Sitzung mehrmals wiederholt werden. Lassen Sie Ihr Kind nicht „herumstochern“, wenn es ein Wort nicht weiß, sondern nennen Sie das richtige Wort, lassen Sie es sofort wiederholen und kommen Sie in derselben Abfragesitzung mehrfach darauf zurück. Üben Sie mit Ihrem Kind, diese Technik auch beim selbstständigen Abfragen mithilfe des Vokabelhefts einzusetzen. In der Regel müssen Vokabeln mehrfach in immer größeren Zeitabständen abgerufen werden, um dauerhaft beherrscht zu werden – dazu gleich mehr.

Auch bei komplexen Inhalten ist diese Technik überaus effektiv:

  • Fragen Sie Ihr Kind nicht einfach, was es gemacht hat oder ob es etwas verstanden hat. Lassen Sie es mit eigenen Worten frei erklären. Fragen Sie nach Beispielen oder wofür man den Inhalt benötigt.
  • In vielen Schulbüchern gibt es mittlerweile Wiederholungsaufgaben und Lösungen im hinteren Teil des Buchs. Lassen Sie Ihr Kind diese Aufgaben bearbeiten, ohne vorher etwas nachzulesen. Dann merkt es schnell, wo genau es noch am Verständnis fehlt. Genau dort soll Ihr Kind gezielt nacharbeiten. Als Nebeneffekt werden die Inhalte, die richtig abgerufen wurden, im Anschluss noch sicherer gekonnt.
8. Regelmäßig in kleinen Portionen statt viel auf einmal

Ihr Kind hat sicherlich auch schon einmal das Lernen vor einer Klassenarbeit immer weiter aufgeschoben, um dann am Tag vor der Arbeit mehrere Stunden zu investieren. Fast ebenso sicher hat dies nicht dazu geführt, dass die Inhalte auch längere Zeit nach der Klassenarbeit noch beherrscht wurden. Viel besser ist es, einen Zeitplan zu erstellen und regelmäßig ein bisschen zu lernen (verteiltes Üben) und dabei in einer Sitzung verschiedene Inhalte zu bearbeiten (vermischtes Üben).

Das aktive Abrufen wird besonders effektiv, wenn man es mit einem solchen sinnvollen Zeitplan kombiniert und sich Lerninhalte nicht einfach nur „anschaut“. In der Regel wird längere Zeit vor einer Klassenarbeit oder einem Test bekanntgegeben, welche Inhalte abgeprüft werden. Auch wenn das nicht der Fall ist: Prüfungen orientieren sich an den Inhalten und Arbeitsaufträgen, die aktuell im Unterricht bearbeitet werden. Anstatt also am Tag vor der Klassenarbeit drei Stunden zu investieren, ist es erfolgversprechender, nachhaltiger und wesentlich entspannter, wenn Ihr Kind 6x 30 Minuten auf mehrere Tage verteilt und dabei auch Inhalte früherer Sitzungen wiederholt.

Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, einen Lernplan für die Klassenarbeit zu erstellen und einzuhalten. Achten Sie darauf, dass es aktives Abrufen einsetzt und die Inhalte vermischt.

Bei allen drei Techniken – vermischtes Üben, verteiltes Üben und aktives Abrufen – kann die Lernkarten-App Anki gute Unterstützung bieten. Zumindest für Android-Geräte ist sie kostenlos erhältlich.

9. Was fördert die Motivation?

Motivation kann man sich als Triebfeder für menschliches Handeln vorstellen. Sie ist entscheidend, um langfristig durchzuhalten. Es gibt einige hilfreiche Strategien und Haltungen, mit denen Ihr Kind seine Motivation verbessern kann:

  • Eine wichtige Motivationsquelle ist die Erfahrung, etwas zu können – und sei der Erfolg am Anfang noch so klein (Kompetenzerleben). In diesem Sinne fördert erfolgreiches Lernen die langfristige Motivation und die Freude an der weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema.
  • Gute Noten erscheinen als einfaches Kriterium, um zu entscheiden, ob ihr Kind gut lernt. Allerdings verwischen sechs Notenstufen viele Nuancen. Langfristig wird es kaum funktionieren, ausschließlich für Noten an sich zu lernen. Viel wichtiger ist es, dass Ihr Kind Erfolgserlebnisse hat, Interesse an den Inhalten entwickelt und sich das Verständnis der Inhalte als Ziel setzt. Das wird nicht in jedem Fach einfach gelingen, aber: auf diese Weise kommen als Nebenprodukt automatisch gute Noten heraus.
  • Vergleicht Ihr Kind seine Noten stark mit den Noten seiner Mitschüler*innen? Bestärken Sie Ihr Kind darin, seine eigenen Verbesserungen wahrzunehmen und loben Sie es für seine Anstrengungen. Eine Verbesserung von der Note 5 auf die Note 4 kann individuell betrachtet eine größere Leistung sein als eine 1 zu schreiben.
  • Damit geht einher, dass Ihr Kind lernen sollte, sich Erfolge und Misserfolge motivierend zu erklären: Erfolge kommen durch eigene Anstrengung zustande und weil mit der Zeit viel dazugelernt wurde. Misserfolge bedeuten zunächst, dass man etwas noch nicht kann. Ihr Kind sollte sich nie sagen, dass es in einem Fach eben schlecht sei – diese Aussage bedeutet gerade, nichts daran ändern zu können. Hilfreicher ist es, wenn Ihr Kind sich sagt, dass es durch verändertes Lernverhalten beim nächsten Mal besser abschneiden kann.
    Auch wenn es anfangs schwerfällt: Sie sollten Ihrem Kind genauso wenig suggerieren, dass es einfach „gut im Fach X“ sei. Für alle Menschen kommt früher oder später der Punkt, an dem sie sich auch in Fächern, die ihnen angeblich leichtfallen, für weitere Erfolge anstrengen müssen. Betonen Sie lieber, dass Ihr Kind in der Vergangenheit etwas dafür getan hat, um Erfolge im Fach X zu erzielen und deswegen jetzt viel leichter Neues lernt.

Kurzfristig steht uns allen der innere Schweinehund immer wieder im Weg. Dagegen hilft die Methode WOOP.

Grafik: Dr. Daniel Wieczorek

  • W steht für Anliegen oder Wunsch (wish).

    Das Anliegen könnte z. B. sein, dass Ihr Kind sich im Fach Mathematik verbessert, indem es im Unterricht besser mitarbeitet und besser mit Klassenarbeiten zurechtkommt.
    Es kann sich diesen Wunsch aufschreiben oder ihn sich möglichst lebhaft vorstellen.
  • O steht für Ergebnis (outcome).

    Was wäre schön daran, wenn sich mein Wunsch erfüllen würde? Wie würde ich mich fühlen?
    Auch hier kann Ihr Kind sich das Ergebnis aufschreiben oder es sich möglichst lebhaft vorstellen.
  • O steht für Hindernis (obstacle).

    Ihr Kind muss sich überlegen, was es davon abhält, den Wunsch zu erfüllen.
    Entscheidend ist: Es muss Hindernisse finden, die in sich selbst liegen. Nur diese Hindernisse kann es auch allein überwinden.
    Auch hier kann Ihr Kind das Hindernis aufschreiben oder es sich möglichst lebhaft vorstellen.
  • P steht für Plan (plan).

    Ihr Kind fasst einen Plan nach folgendem Schema und setzt ihn um:

    „Immer wenn …, dann werde ich …“

    Ein Beispiel ist: „Immer wenn ich Angst habe, im Unterricht eine Frage zu stellen, dann sage ich mir ‚die Lehrkraft achtet darauf, dass mich niemand auslacht‘ und melde mich.“
    Ihr Kind kann sich aber auch ohne die ersten drei Schritte Pläne machen, zum Beispiel:
    • „Immer wenn ich mich nach dem Mittagessen ausgeruht habe, dann bearbeite ich drei Wiederholungsaufgaben.“
    • „Immer wenn ich mit dem Lernen beginnen will, dann bringe ich zuerst mein Smartphone in ein anderes Zimmer und stelle es lautlos.“

Der Vorteil dieser Pläne ist, dass man nicht mehr über sie nachdenken muss, wenn man sie einmal automatisiert hat. Zur Unterstützung von WOOP kann man sich aber auch eine kostenlose App auf sein Smartphone laden – suchen Sie einfach nach dem Begriff „WOOP“.

10. Feedback

Im Alltag wird der Begriff „Feedback“ oft missverstanden und mit unspezifischen, positiven Rückmeldungen verwechselt. Die eigentliche Bedeutung der Begriffs ist jedoch, dass Informationen zur Bewältigung einer Aufgabe oder einer Leistung bereitgestellt werden. Feedback hilft, wenn es mit konkreten und herausfordernden (aber grundsätzlich zu erreichenden) Zielen verbunden ist. Dabei ist es besonders gut, sich auf konkrete Aspekte der Aufgabe oder der Leistung zu beziehen, anstatt allgemein zu bleiben: Wenn es für Ihr Kind z. B. noch ein herausforderndes Ziel ist, 20 Minuten konzentriert und ohne Rückfragen zu lernen, dann könnte man z. B. sagen „Du hast es heute schon geschafft, 10 Minuten konzentriert und ohne Rückfragen zu lernen. Lass‘ uns mal einen Blick darauf werfen, was dabei schon gut funktioniert hat und was Du beim nächsten Mal konkret noch besser machen könntest. […]“ Auf diese Weise kann die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte des zu erreichenden Ziels gelenkt werden. Wenn Sie auf die Handreichung zurückblicken, finden Sie sicherlich an der ein oder anderen Stelle weitere Beispiele für effektives Feedback.

Ist Feedback hingegen unkonkret oder bezieht es sich gar auf die Person („Diese Aufgabe hast Du nicht gut gemacht.“ oder „Du hast einfach kein Talent zum konzentrierten Arbeiten.“), können Sie mindestens davon ausgehen, dass es keinen Effekt hat. Es kann sogar schädlich sein und dazu führen, dass Feedback in Zukunft vermieden oder ignoriert wird. Auch das irreführende „Feedback-Sandwich“ (negatives Feedback zwischen zwei Schichten positiven Feedbacks) können Sie getrost vergessen.

11. Was man nicht tun sollte

Im Text haben wir immer wieder auf unwirksame Strategien und problematische Haltungen hingewiesen, die man nicht nutzen sollte, weil sie keinen Erfolg versprechen:

  • Ihr Kind sollte nicht ziellos Texte noch einmal lesen oder sich ungezielt Lernvideos ansehen. Es soll nur das nachgelesen werden, was beim aktiven Abrufen nicht gekonnt wurde. Auch das bloße Markieren von Textstellen ist weitgehend ineffektiv.
  • Ihr Kind sollte nicht denken, dass Lernen dasselbe ist wie Auswendiglernen.
  • Ihr Kind sollte nicht glauben, dass Mitschüler*innen mit besseren Ergebnissen nie dafür lernen müssen. Wer mehr weiß und versteht, lernt bloß viel besser und schneller etwas Neues in diesem Fach. Betonen Sie, dass Ihr Kind durch eigene Anstrengung auch dorthin gelangen kann.
  • Fragen Sie Ihr Kind nicht einfach, ob es etwas verstanden habe. Fordern Sie es lieber dazu auf, es Ihnen mit eigenen Worten zu erklären. Trauen Sie sich, danach ein ehrliches, aber sachliches Feedback zu geben – was wurde gut erklärt, was kann man verbessern?
  • Loben Sie Ihr Kind nicht unspezifisch („Super!“, „Toll gemacht!“, „Weiter so!“, …) oder für etwas, das es gar nicht beeinflussen kann bzw. das an seine unveränderliche Persönlichkeit gebunden ist („Du bist ein Konzentrationswunder.“ oder „Du hast einfach kein Talent für Erdkunde.“).

12. Vorsicht vor "Fake News"

Wenn Sie mit einer Suchmaschine oder bei youtube nach „Lernen lernen“ oder „Lernstrategien“ suchen, dann finden Sie tausende Texte und Videos. Die meisten haben leider gemeinsam, dass sie ineffektive oder sogar schädliche Behauptungen verbreiten. Wir möchten Ihnen daher zum Abschluss eine kleine Liste der häufigsten „Fake News“ zum Thema Lernen geben, damit Sie gute von problematischen Inhalten abgrenzen können:

  • Es gibt kein effektives Lernen ohne geistige Anstrengung: Ihr Kind wird nicht spielerisch oder nebenbei erfolgreich lernen, denn das funktioniert nur bei sogenanntem „Primärwissen“ wie der Muttersprache. Denken Sie z.B. an die berühmte Tennisspielerin, die neulich ganz ohne Training in Wimbledon gewonnen hat.
  • Mit den Gehirnhälften Ihres Kindes ist alles in bester Ordnung. Beide sind miteinander verknüpft, Ihr Kind hat keine bevorzugte Gehirnhälfte und schulisches Lernen fördert auch nicht nur eine Gehirnhälfte. Wer behauptet, Ihr Kind wäre schlecht in Mathe, weil eine Gehirnhälfte schwächer sei, nimmt Ihrem Kind die Motivation, sich durch eigene Anstrengung zu verbessern.
  • Schulisches Lernen ist kein Feind der Kreativität, sondern Kreativität ist bereichspezifisch und setzt das Meistern domänenspezifischer kognitiver Strukturen voraus.
  • Auch mit Google, KI & Co. ist gut vernetztes und schnell abrufbares Wissen weiterhin hochrelevant, und ohne dieses Wissen ist eine kritische Nutzung dieser Medien überhaupt nicht möglich. Wer nichts weiß, muss alles glauben.
    Auch wenn Ihr Kind mit digitalen Medien heutzutage Zugang zu Möglichkeiten hat, die Ihnen in diesem Alter nicht zur Verfügung standen: Es lernt nicht anders als Sie und alle anderen Menschen vor Ihnen. 
    Auch wird Ihr Kind durch die Nutzung digitaler Medien nicht multitaskingfähig. Je mehr Aufgaben es "parallel" erledigen soll, desto mehr muss es zwischen den Aufgaben hin- und herwechseln, verliert dadurch Zeit und macht mehr Fehler.
  • Es gibt keine „Lernytpen“. Jeder Mensch lernt durch Nachdenken und Verstehen, und nicht durch Anhören, Ansehen oder Anfassen. Besonders problematisch wird es, wenn man Ihrem Kind weismacht, dass es ein auditiver oder haptischer Lerntyp sei und deswegen keine Texte lesen müsse oder könne. Denken Sie an sich selbst: Der Inhalt dieser Handreichung würde Ihnen einerseits weder als Gemälde noch als Holzschnitt besonders viel bringen. Andererseits müssten Sie immer noch aktiv darüber nachdenken und die Informationen aktiv in Bezug zu Ihrem eigenen Wissen und Können setzen, wenn Ihnen jemand den Text vorliest. Stabile Lerntypen hat man in der Forschung nie nachweisen können.

13. Quellen

Wir haben diese Handreichung auf beste Lesbarkeit und Anwendbarkeit ausgerichtet – zahlreiche Fußnoten mit Quellenangaben wären kontraproduktiv gewesen. Das Quellenverzeichnis ist zweigeteilt: Wir geben neben einem günstigen Buch zunächst nur fundierte Dokumente an, die Sie frei herunterladen können. Erst dann folgt Fachliteratur, die nicht frei zugänglich ist. Wenn Sie Anregungen für zukünftige Verbesserungen oder weitere Fragen zum wissenschaftlichen Hintergrund der Handreichung haben, dann können Sie sich gerne an uns wenden. 

Kontakt: Dr. Daniel Wieczorek (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)

Frei verfügbar oder günstig beschaffbar

Dunlosky, J., Rawson, K.A., Marsh, E.J., Nathan, M.J., Willingham, D.T. Improving Students' Learning With Effective Learning Techniques: Promising Directions From Cognitive and Educational Psychology. Psychol Sci Public Interest. 2013 Jan;14(1):4-58. doi: 10.1177/1529100612453266. PMID: 26173288.
hier abrufbar

Looss, M. (2001), Lerntypen? Ein pädagogisches Konstrukt auf dem Prüfstand. Die Deutsche Schule, vol. 93, no. 2, pp. 186-198
hier abrufbar

Nolting, H. (2012). Abschied von der Küchenpsychologie: Das Wichtigste für Ihre psychologische Allgemeinbildung. Rowohlt.

OECD Educational Research and Innovation (2010). The Nature of Learning Using Research to Inspire Practice: Using Research to Inspire Practice. OECD Publishing.
hier abrufbar

Nicht frei zugänglich

Didau, D. & Rose, N. (2016). What every teacher needs to know about psychology. John Catt.

Hasselhorn, M. & Gold, A. (2022). Pädagogische Psychologie: Erfolgreiches Lernen und Lehren. Kohlhammer Verlag.

Kunter, M. & Trautwein, U. (2013). Psychologie des Unterrichts. UTB GmbH.

Kirschner, P. A. & Hendrick, C. (2020). How Learning Happens. Seminal Works in Educational Psychology and What They Mean in Practice. Routledge.

Kluger, A. N., & DeNisi, A. (1996). The effects of feedback interventions on performance: A historical review, a meta-analysis, and a preliminary feedback intervention theory. Psychological Bulletin, 119(2), 254–284. https://doi.org/10.1037/0033-2909.119.2.254

Perels, F., Dörrenbächer-Ulrich, L., Landmann, M., Otto, B., Schnick-Vollmer, K. & Schmitz, B. (2020). Selbstregulation und selbstreguliertes Lernen. In: Wild, E. & Möller, J. (Hrsg) Pädagogische Psychologie. Springer.

Schwörer, B. & Oettingen, G. (2018). Vom Träumen zum Tun – Befunde aus der modernen Motivationspsychologie. In: Gorr, C., Bauer, M. (eds) Was treibt uns an?. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54857-8_6

Wellenreuther, M. (2018). Lehren und Lernen – aber wie? Schneider.

Wisniewski, B. (2019). Psychologie für die Lehrerbildung. UTB GmbH.

Text: Dr. D. Wieczorek, Fotos: Kollegium des EvT