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"Würdest du deine Tochter rächen?“ „Würdest du deine Tochter rächen, die dein Ehemann geopfert hat?“ „Würdest du deinen Vater rächen?“ „Würdest du deinen Vater rächen, den deine Mutter getötet hat?“ „Aber dein Vater hat doch deine Schwester geopfert!“ „Aber dein Vater hat doch die Tochter deiner Mutter geopfert!“ „Würdest du deinen Vater rächen, obwohl er deine Schwester geopfert hat?“ „Würdest du deine Tochter rächen?“


So beginnt das Stück, welches der Literaturkurs der Q1 über das Schuljahr 2017/2018 einstudiert und am Schuljahresende aufgeführt hat. Diese Zeilen verschaffen eigentlich schon einen recht genauen Einblick in die Problematik des modernen Dramas „Elektra“ von Theresa Sperling.


Elektra wird zusammen mit ihrer Schwester Chrysothemis von ihrer Mutter Klytämnestra und deren Liebhaber Ägisth gefangen gehalten, nachdem Klytämnestra Elektras Vater Agamemnon erschlagen hat. Während Chrysothemis dieses Trauma verarbeitet, indem sie ihre Gefühle diesbezüglich unterdrückt und sich darauf beschränkt, ihre Puppen symbolisch umzubringen, herrscht in der Hauptperson Elektra, welche von fünf verschiedenen Schüler*innen verkörpert wird, das pure Chaos. Ihre Verzweiflung, die Wut, das Unverständnis und das Gefühl, von der Mutter verraten worden zu sein, stauen sich in ihr auf und lassen das trauernde Mädchen langsam wahnsinnig werden und besessen von dem Wunsch, die Mutter tot zu sehen, ermordet durch ihren verschollenen Bruder Orest oder ihr selbst. Sie will nur noch zerstören.


Auch wenn die wenigsten von uns eine derartige Situation erlebt haben werden, so bietet das Stück dennoch eine Reihe an Anknüpfungspunkten. Thematiken wie Liebe, Hass, Trauer, Rache, Hilflosigkeit und Verzweiflung kennen wir alle nur zu gut. Und so leiden die Zuschauer*innen nicht nur mit Elektra mit, das Stück regt auch zum Nachdenken an. Würden wir anders reagieren als Elektra? Was geschieht mit uns, wenn ein geliebter Mensch etwas Schreckliches tut? Wie können wir mit schweren Erfahrungen und negativen Gefühlen umgehen, ohne uns selbst und andere zu zerstören?


Trotz dieser nicht einfachen Themen hatten wir als Literaturkurs viel Spaß, uns mit diesem Stück unter der Leitung von Frau Bootmann auseinanderzusetzen und uns selbst im Schreiben und Schauspielern zu versuchen. Auch das Publikum war sichtlich begeistert und belohnte unsere Arbeit mit langem Applaus.


Text: Anna De Alwis
Foto: Felix Kahl